Bei der Geldanlage mit Zertifikaten sollten Anleger eine Erwartungshaltung an die Entwicklung des jeweiligen Basiswerts, wie z.B. einer Aktie haben. Diese Erwartungshaltung kann auf einer fundamentalen oder charttechnischen Analyse dieses Basiswerts beruhen. Ein Chart ist die grafische Darstellung eines Kursverlaufs innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Bei der Darstellung sollte nach Möglichkeit die Balken- oder Candlestick-Variante gewählt werden, denn diese berücksichtigen sowohl den Schlusskurs als auch den Eröffnungs-, Höchst- und Tiefstkurs eines Tages. Damit bieten Balken- oder Candlestick-Charts mehr Informationen über das Handelsgeschehen als ein einfacher Linienchart, der lediglich die Schlusskurse eines Tages betrachtet und diese in einer Linie miteinander verbindet. Ein weiterer Nachteil des Liniencharts besteht darin, dass sich darin keine sogenannten „Gaps“ erkennen lassen.
3 Varianten sind von Bedeutung
Gaps sind Lücken im Kursverlauf. Diese entstehen immer dann, wenn auf einem bestimmten Preisniveau kein Handel stattgefunden hat. Wenn beispielsweise eine Aktie an einem Tag ein Hoch bei 30,00 Euro markiert, am darauffolgenden Handelstag bei 31,20 Euro eröffnet und im Handelsverlauf nicht unter 31,20 Euro zurückfällt, entsteht ein solches Gap. Auf dem Preisniveau zwischen 30,01 und 31,19 Euro fand dann kein Handel statt. Solche Lücken können wertvolle Hinweise auf den Beginn, das Ausmaß oder das bevorstehende Ende einer Trendbewegung geben und lassen sich vor allem in Charts auf Tagesbasis (1 Candlestick = 1 Tag), Stundenbasis (1 Candlestick z.B. 1 Stunde) oder Minutenbasis (1 Candlestick z.B. 15 Minuten) beobachten.
Es gibt mehrere Varianten von Kurslücken, wobei die sogenannten gewöhnlichen Lücken (Common Gaps) für Anleger nicht von Interesse sind. Als Common Gaps sind z.B. Kurslücken anzusehen, deren Ausmaß weniger als 1% beträgt. Lücken infolge eines Dividendenabschlags können zwar größer ausfallen, sind aber in erster Linie auf die Gewinnausschüttung zurückzuführen und daher ebenfalls nicht von Interesse. Von Bedeutung sind dagegen die sogenannten Ausbruchslücken (Breakaway Gaps), Fortsetzungslücken (Runaway Gaps) und Erschöpfungslücken (Exhaustion Gaps).
Ausbruchslücken können auf neuen Trendimpuls hindeuten
Ausbruchslücken lassen sich häufig beobachten, wenn nach einer Seitwärtsbewegung die Kursnotierung ihre vorherige Handelsspanne verlässt. Denkbare Auslöser für einen solchen Impuls sind z.B. neue Unternehmensmeldungen oder Analystenkommentare. Ausbruchslücken können den Beginn einer neuen Trendbewegung signalisieren. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, wenn mit der Ausbruchslücke zusätzlich zu einem deutlichen Anstieg der Umsätze der Bruch einer Trendlinie, die Vollendung einer charttechnischen Formation (z.B. Ausbruch aus einem Dreieck) oder das Über- bzw. Unterschreiten markanter Widerstände bzw. Unterstützungen einhergehen. Während einer möglichen Rückkehrbewegung der Kursnotierung in Richtung der Ausbruchsstelle (Pullback) sollte die Ausbruchslücke allenfalls zum Teil geschlossen werden. Das vollständige Schließen der Ausbruchslücke wäre ein Warnsignal, dass es sich bei dem Ausbruch möglicherweise um einen Fehlausbruch handelt.
Fortsetzungslücken in der Mitte der Trendbewegung
Wenn sich ein neuer Trend etabliert hat, können in der Mitte der Trendbewegung die sogenannten Fortsetzungslücken auftauchen. Diese weisen in einem Aufwärtstrend auf ein anhaltend hohes Kaufinteresse, in einem Abwärtstrend auf ein anhaltend starkes Verkaufsinteresse hin. Wenn solche Fortsetzungslücken auftauchen, können sie zur Bestimmung eines Kursziels genutzt werden. Dazu wird das bisherige Ausmaß der Trendbewegung gemessen und dieses Ausmaß anschließend von der Mitte der Fortsetzungslücke aus nach oben (in einem Aufwärtstrend) oder unten (in einem Abwärtstrend) abgetragen. Tendenziell sollte sich die Trendbewegung dann bis zu diesem Kursziel fortsetzen. Da sich aufgrund dieser Methode ein Kursziel projizieren lässt, werden Fortsetzungslücken auch Measuring Gaps genannt, was so viel wie Vermessungslücke bedeutet. Ebenso wie bei Ausbruchslücken gilt auch für Fortsetzungslücken, dass ein vollständiges Schließen der Lücke ein Warnsignal für eine zunehmende Schwäche der Trendbewegung ist.
Erschöpfungslücken - Trenddynamik erschöpft
Erschöpfungslücken können gegen Ende einer dynamischen Trendbewegung auftreten. Sie stellen dann gewissermaßen ein „letztes Aufbäumen“ der Kursnotierung dar. Verläuft die Kursnotierung in den folgenden Tagen seitwärts, dann ist dies als Bestätigung der Erschöpfungslücke und zugleich als Warnung vor einer nachlassenden Dynamik der Trendbewegung zu werten. Verstärkt wird die Bedeutung einer Erschöpfungslücke, wenn sie in einer aufwärts gerichteten Trendbewegung in Nähe zu einem markanten Widerstand oder in einer abwärts gerichteten Bewegung in Nähe zu einer markanten Unterstützung auftritt.
Beispielchart mit den drei bedeutsamen Varianten von Kurslücken
Möglicher Umgang mit Gaps
Die unteren bzw. oberen Begrenzungen von Kurslücken stellen potenzielle Unterstützungen bzw. Widerstände dar. Vor diesem Hintergrund bietet die Rückkehr der Kursnotierung zu einer Ausbruchslücke oder einer Fortsetzungslücke die Möglichkeit, ein Investment in Richtung des übergeordneten Trendimpulses einzugehen. Der Stop kann dabei eng gehalten werden und sollte greifen, wenn die Lücke vollständig geschlossen wird. Wie oben bereits ausgeführt, ist ein vorzeitiges Schließen von Ausbruchslücken und Fortsetzungslücken als Warnsignal bezüglich der Qualität des laufenden Trends zu interpretieren. Ebenso sollte einer Absicherung durch eine Stop-Loss-Order erhöhte Aufmerksamkeit geschenkt werden, wenn im Chart eine Erschöpfungslücke auftaucht. Allerdings sollten Sie berücksichtigen, dass nicht immer alle Varianten von Kurslücken innerhalb einer Trendbewegung auftauchen. So kann eine Trendbewegung beispielsweise auch ohne Erschöpfungslücke enden. Ein Beispiel hierfür bietet die nachfolgende Grafik.
Beispielchart mit Ausbruchs- und Fortsetzungslücke
Interessante Kandidaten für das mögliche Auftauchen von Ausbruchslücken sind Basiswerte, deren Kursnotierung sich seit einiger Zeit in einer Seitwärtsbewegung mit geringer Schwankungsbreite befindet. Hier besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit dafür, dass es in absehbarer Zeit zu einem neuen Impuls kommt, der ggf. mit einer Kurslücke einhergeht. Besonders gut lassen sich solche Kandidaten mit Hilfe der Bollinger-Bänder erkennen, wenn sich diese immer enger zusammenziehen.
Eine ausführliche Erläuterung der genannten Fachbegriffe finden Sie in unserem Glossar.
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